Nebencluster – Karl Krzeminski https://krzeminski.work Mon, 07 May 2018 21:58:46 +0000 de hourly 1 https://wordpress.org/?v=6.8.2 Gigacities in China [10]: EIN ERSTES FAZIT https://krzeminski.work/gigacities-in-china-10-vorlaeufiges-fazit/ Sun, 25 Mar 2018 06:18:43 +0000 https://krzeminski.work/?p=4153 Die Skyline von Hongkong bei Nacht (Pixabay CC0 1.0)

Die GIGACITIES bis jetzt

China hat mit der GIGACITY die bisherigen Städtekonzepte um eine neue und visionäre, aber auch monströse Kategorie erweitert. In den 20 geplanten chinesischen GIGACITIES würden nach den heutigen Zahlen ca. 1,2 Milliarden Menschen (oder rund 86 % der Bevölkerung) auf etwa 35 % des Staatsgebiets Chinas leben [1]. Dabei gibt es zwischen den einzelnen sogenannten „Clustern“ erhebliche Unterschiede, sei dies in demographischer, politischer oder wirtschaftlicher Hinsicht.

Die Lage der Schwellencluster in Bezug auf die Hauptcluster (© 2018 Google Earth, Karten: Landsat/Copernicus, Daten: SIO, NOAA, U.S. Navy NGA, GEBCO, Beschriftung: eigener Entwurf)

Die Hauptcluster

Die Hauptcluster sind bislang am klarsten ausgearbeitet. Sie liegen in den wirtschaftlich stärksten Regionen Chinas (blaue Flächen in der Karte, No. 1-5). Am konkretesten ist die Planung von Jing-Jin-Ji (No. 1). Dennoch lässt sich China Zeit mit der tatsächlichen administrativen Umsetzung der Planung. Offenbar soll es aber 2020 soweit sein, wenn kurz vorher der neue Flughafen Beijing-Daxing der Region in Betrieb geht. Am Gelingen dieser ersten GIGACITY wird sich wohl letzten Endes die Zukunft und Machbarkeit aller anderen GIGACITIES entscheiden.

Die Schwellencluster

Wenn einmal die Hauptcluster etabliert sind, sollen die Schwellencluster dann die „Lücken“ zwischen diesen schließen (grüne Flächen, No. 6-15). Schwierig und noch nicht ganz geklärt ist das administrative Schicksal der nicht an GIGACITIES beteiligen Gebiete in den jeweiligen Provinzen. So wären die eher ländlichen Bezirke in Hubei, Hunan und Jiangxi, aber besonders jene in Heilongjiang, Fujian und Sichuan, davon betroffen. Ob diese zu neuen Provinzen zusammengelegt werden oder schließlich doch noch Teil der GIGACITIES werden, wird aus den weiteren offiziellen Planungen hervorgehen müssen.

Die Nebencluster

Die Nebencluster liegen allesamt in der Peripherie des Landes westlich der Heihe-Tengchong-Linie (gelbe Flächen, No. 16-20). Diese fünf geplanten Städte wären jedoch im Vergleich zu den fünf Haupt- und zehn Schwellenclustern sehr dünn besiedelt (siehe Tabelle). Außerdem würden sie nur nur rund 12 % der Fläche und 53 % der Bewohner in der Peripherie ausmachen, während die anderen GIGACITIES fast 50 % Fläche des Kernlandes und 88 % der Einwohner erfassen würden [2].

Alle geplanten GIGACITIES sortiert nach Haupt-, Schwellen- und Nebenclustern (eigener Entwurf)

Die Zukunft der GIGACITIES

Die chinesischen GIGACITIES sind das wohl ambitionierteste Städteprojekt der Welt. Es wird, wenn es tatsächlich umgesetzt wird, das Land in seiner administrativen Struktur grundlegend verändern. Allerdings gibt es auch einen entgegengesetzten Vorschlag: Anstatt die Städte immer größer werden zu lassen, sollten sie stattdessen auf die Größe einer Mittel- oder Großstadt beschränkt werden. Als Vorbild wird dabei interessanterweise die Zusammensetzung der Städte in Deutschland angeführt [3].

Nachdem ich nun alle geplanten GIGACITIES in China vorgestellt habe, werde ich in den kommenden Beiträgen eine Region vorstellen, in der meiner Meinung nach diese neue Stadtkategorie rein hypothetisch ebenfalls möglich wäre: im südlichen Asien.

Anmerkungen zur Tabelle:

* Zu den einzelnen Namen bzw. Bezeichnungen der jeweiligen GIGACITIES siehe die Anmerkungen der vorhergehenden Beiträge.

Quelle der Daten = Thomas Brinkhoff: City Population, http://www.citypopulation.de/China_d.html.

Zusätzliche Infos:

[1] Da China eine sinkende Geburtenrate hat und bedingt durch die bis 2015 geltende Ein-Kind-Politik auf eine rapide Überalterung der Gesellschaft zusteuert, werden sich die Kerneinwohnerzahlen der geplanten GIGACITIES in naher Zukunft nicht dramatisch verändern und wenn, dann nur durch Zuzug. Im Gegenteil: Die GIGACITY soll durch die Einbindung des Umlandes die zugezogene Bevölkerung besser verteilen und die Zentren der jeweiligen Städte vor dem Kollaps schützen. Lediglich die Nebencluster in der Peripherie könnten einen sehr starken Einwohnerzuwachs bekommen, was wiederum als Quasi-Entlastung des dicht besiedelten chinesischen Kernlandes gewünscht ist.

[2] Das geht nicht eindeutig aus der Tabelle hervor, lässt sich aber aus den Flächen- und Bevölkerungszahlen Chinas berechnen.

[3] Deutschland hat verglichen mit anderen Ländern tatsächlich eine ungewöhnliche Siedlungsstruktur: Von den 82 Millionen Einwohner leben 27 Millionen oder 33 % in den rund 90 Großstädten (darunter 4 Millionenstädte, 10 „Halbe-Millionenstädte“ und 10 „Fast-Großstädte“). Dies liegt zum Großteil an der starken und nach wie vor prägenden föderalen Geschichte Deutschlands, in der es immer viele regionale Zentren gab. Allein die zahlreichen ehemaligen Residenzstädte, die über die gesamte Bundesrepublik verteilt sind, sind ein großes Indiz dafür.

(Zum Vergleich: In Frankreich leben von den 65 Millionen Einwohnern nur 9,6 Millionen oder 15 % in den rund 40 Großstädten. Die Agglomeration Ile-de-France mit ihren 12 Millionen Einwohnern besteht „nur“ aus 5 Großstädten und sehr vielen kleineren Mittelstädten.)

Deswegen bin ich auch der Meinung, dass eine administrative Zusammenlegung des Ruhrgebiets mit den Regionen Niederrhein und Köln/Bonn zu einer 10-Millionen Megacity Rhein-Ruhr wohl weder politisch oder gesellschaftlich umsetzbar wäre – wenn ich allein an die Fußballvereine im Revier denke! Lediglich einzelne lokale Städtefusionen wie die im Bergischen Städtedreieck werden diskutiert.

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Gigacities in China [9]: NEBENCLUSTER https://krzeminski.work/gigacities-in-china-9-nebencluster/ Sun, 11 Mar 2018 21:59:26 +0000 https://krzeminski.work/?p=3720 Ürümqi als Sinnbild für die chinesische Peripherie (Pixabay CC0 1.0)

Die Nebencluster als Grenzstädte

Als Nebencluster bezeichne ich die fünf restlichen Städte aus der offiziellen chinesischen Verlautbarung, die sozusagen als Grenzstädte in der Peripherie des Landes liegen. Diese wird dabei allgemein nordwestlich der Heihe-Tengchong-Linie angesetzt (Siehe Karte). Jene gedachte Linie grenzt traditionell das dichtbevölkerte, überwiegend von Han-Chinesen besiedelte Kernland Chinas gegenüber dem sehr dünnbevölkerten, mehrheitlich von nationalen Minderheiten bevölkerten „äußeren“ China ab [1].

Die Lage der Nebencluster im Westen Chinas. Die bereits vorgestellten Haupt- und Schwellencluster sind grau unterlegt. (© 2017 Google Earth, Karten: Landsat/Copernicus, Daten: SIO, NOAA, U.S. Navy NGA, GEBCO, Beschriftung: eigener Entwurf)

Veränderung der Demographie

Jedoch hat in den letzten Jahrzehnten eine Binnenmigration von Han-Chinesen jenseits dieser Linie stattgefunden, weshalb diese in einigen Städten mittlerweile die Mehrheit der Einwohner stellen. Der Zuzug wird weiterhin anhalten [2]. Zwar machen die Nebencluster bei rund 7 % der Fläche aktuell nur 3,5 % der Bevölkerung Chinas aus. Doch projiziert man das zurückliegende Wachstum der letzten Jahrzehnte in die Zukunft, dann könnten diese Städte demzufolge eines Tages die zehnfache Bevölkerung erreichen [3]. Dies trifft besonders auf Hohhot, Bantou und Ordos im gleichnamigen Ordos-Plateau zu (Suiyuan) [4].

Die Eckdaten der Nebencluster (eigener Entwurf)

Wirtschaftlicher Aufbruch

Der Grund dafür liegt nicht zuletzt in der sehr hohen Kaufkraft pro Kopf, die mit 20.000 USD in der Inneren Mongolei über dem nationalen Mittel von 15.000 USD liegt [5]. Mittlerweile zählen die drei genannten Städte zu den reichsten Chinas. Dies liegt wiederum an der an Bodenschätzen reichen Region, in der beispielsweise etwa 1/6 der chinesisches Kohlereserven lagern. Die Innere Mongolei gilt als Paradebeispiel für die weitere Entwickelung der anderen vier Regionen. Die fünf GIGACITIES könnten dabei den entscheidenden Anstoß geben.

Im nächsten und letzten Beitrag dieser Reihe werde ich ein vorläufiges Fazit über alle GIGACITIES in China geben.

Anmerkungen zur Tabelle:

* Die Bezeichnungen der GIGACITIES sind nicht offiziell, sondern dienen nur der besseren Unterscheidung. Diejenigen, die in Anführungsstrichen stehen, sind meine eigene Komposition: Huangzhou = Gelbe Stadt, nach den beiden gelben Flüssen Huang Shui und Huang He. Helanzhou habe ich nach dem dortigen Helan-Gebirge benannt. LhasaLhoka und ÜrümqiChangji sind jeweils nach den beiden Bezirken tituliert, aus denen sich diese Nebencluster zusammensetzen.

° Lediglich Suiyuan ist ein authentischer chinesischer Name, nämlich der einer ehemaligen Provinz, die einst die betreffenden Städte umfasste.

Zusätzliche Infos:

[1] Diese Region wird auch als Westchina bezeichnet. Sie ist das Ziel der sogenannten Go-West-Strategie.

[2] Die Regionen Nei Menggu (Innere Mongolei), Ningxia, Xinjiang und Xizang (Tibet) sind einer zunehmenden Sinisierung ausgesetzt. Die Han-Migration in Xinjiang wird besonders vom staatlichen Unternehmen Bingtuan (XPCC) gefördert, das heute 9 Städte in der Region Xinjiang verwaltet. Zwei davon liegen in der Nähe von Ürümqi und haben fast zu 95 % eine han-chinesische Bevölkerung. Durch die 2006 fertiggestellte Lhasa-Bahn (Qinghai-Tibet-Bahn) dürfte sich der Zuzug von Han-Chinesen in Tibet verstärkt haben. Während in der Inneren Mongolei diese Assimilierung der alteingesessenen Bevölkerung bis auf wenige Proteste voranschreitet, brechen in Xinjiang und Xizang (Tibet) regelmäßig Unruhen aus. Die Provinz Gansu, die damals auch Ningxia umfasste, ist bereits seit dem Anfang des 20. Jahrhunderts sinisiert.

[3] Von Hohhot geht dabei die größte Anziehungskraft aus, während Lhasa wohl auch auf absehbare Zeit eine „kleine“ GIGACITY bleiben dürfte.

[4] Dass diese Entwicklung allerdings nicht ganz reibungslos verläuft, zeigt die Planstadt Kangbaschi, die für mehr als 300.000 Einwohner ausgelegt ist und nach wie vor einer Geisterstadt gleicht.

[5] Diese Autonome Region befindest sich damit im Jahr 2016 auf Platz 8 der chinesischen Provinzen und Regionen. Ningxia befindet sich noch im Mittelfeld (#15). Wohingegen Xinjiang (#23), Xizang/Tibet (#28) und Gansu (#31) stark abgeschlagen sind. Im nationalen Vergleich der Präfekturen liegen mit Ordos (#1), Bantou (#7) und Alxa (#8) drei in der TOP 10. Weitere sind Wuhai (#17) und Hohhot (#26). Die Städte Ürümqi (#51), Lhasa (#62), Yinchuan (#63) und Lanzhou (nicht in der Liste, #80+) sind ebenfalls abgeschlagen.

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Gigacities in China [8]: SCHWELLENCLUSTER https://krzeminski.work/gigacities-in-china-8-schwellencluster/ Sun, 04 Mar 2018 19:54:02 +0000 https://krzeminski.work/?p=3606  Von links oben nach rechts unten: Harbin, Fuzhou, Taiyuan, Nanjing, Guiyang, Qingdao, Zhengzhou, Xi‘an und Shenyang. (Pixabay CC0 1.0, Zusammenstellung nach eigenem Entwurf)

Kandidaten für weitere Gigacities: Die Schwellencluster

Neben den fünf bisher vorgestellten GIGACITES wurden von offizieller chinesischer Seite weitere Städte als potentielle Kandidaten für diesen Stadttyp ausgewiesen. Die Angaben zu ihrer genauen Anzahl sowie deren Namen variieren allerdings zwischen 14 und 16 Einheiten und auch zu ihrer Ausdehnung und der daran beteiligten Gebiete gibt es leicht abweichende Informationen [1]. Allgemein können diese in 2 Gruppen, die Schwellencluster und die Nebencluster, aufgeteilt werden. Die bisherigen GIGACITIES gelten gewissermaßen dann als Hauptcluster [2].

Die Lage der Schwellencluster im Bezug auf die Hauptcluster (© 2017 Google Earth, Karten: Landsat/Copernicus, Daten: SIO, NOAA, U.S. Navy NGA, GEBCO, Beschriftung: eigener Entwurf)

Lücken und Randgebiete

Zu den Schwellenclustern zählen alle Kandidaten, die sich allesamt um die „eigentlichen“ GIGACITES gruppieren. Diese zehn Städte schließen sozusagen die Lücken zwischen ihnen (Karte: graue Flächen). Zur Gruppe der Nebencluster zählen die verbliebenen fünf Kandidaten. Diese Städte liegen im Gegensatz dazu in der Randgebieten Chinas jenseits der sogenannten Heihe-Tengchong-Linie. Sie werden Thema des nächsten Beitrags sein. Alle Kandidaten sind in der Regel die Hauptstadt oder die größte Stadt der betreffenden Provinz. In einigen Fällen, wie bei Zhongnan & Fenjin, umfassen sie die jeweilige Provinz sogar komplett [3].

Kerndaten der möglichen Schwellencluster (eigener Entwurf)

Durchschnitt und Ausreißer

Ihre Fläche liegt im Schnitt bei 160.000 km² und einer Einwohnerzahl von etwa 59 Millionen mit einer mittleren Bevölkerungsdichte von 350 Einwohner pro km². Dabei ist Nachang (Harbin-Changchun) mit einer fast doppelt so großen Fläche der Ausreißer. Die drei Städte Bandao (Jinan, Zibo & Qingdao) und Zhongyuan (Zhengzhen) kommen mit über 90 Millionen und einer Dichte von ca. 600 Einwohner pro km² bereits an die vorgesehene Größenordnung einer „regulären“ GIGACITY heran [4]. Mit insgesamt einer Fläche von 1,66 Millionen km² und einer Bevölkerung von 585 Millionen würden diese Schwellencluster demzufolge 17 % des chinesischen Territoriums und 42 % seiner Einwohner erfassen (Siehe Tabelle).

Nächste Woche beschäftige ich mich im neunten und vorletzten Teil der Reihe mit den restlichen Kandidaten, den Nebenclustern. Diese befinden sich – wie oben kurz erwähnt – anderes als die bisherigen GIGACITIES in den Randzonen des Landes.

Anmerkungen zur Tabelle:

* Bei den Namen in Anführungsstrichen handelt es sich um inoffizielle Namen, die ich nichtsdestotrotz zur besseren Übersicht und eindeutigen Abgrenzung der Cluster gewählt habe. Die Bezeichnung Liangguang und Yungui leite ich von den gleichlautenden Vizekönigreichen während der Qing-Dynastie ab, die ihrerseits jeweils auf die Silbenabkürzung der zugehörigen Provinzen zurückgehen. Jianghuai ist eine Kombination der beiden Flüsse Jiang (Jangtse) und Huai, die in dieser Region fließt. Fenjin ist meine „Erfindung“ und setzt sich aus dem Fluss Fen und Jin, dem alten Namen der Provinz Shannxi, zusammen.

Zusätzliche Infos:

[1] Die offizielle Ankündigung geht von insgesamt 21 Städten aus während der Artikel The future of chinese urbanization der Frontier Strategy Group bereits nur noch 19 Cluster nennt. Davon abzuziehen wären dann die

[2] Diese Einteilung orientiert sich grob an der Kategorisierung, die im oben genannten Artikel vorgenommen wurde. Dort heißen sie Super-, Emerging- und Frontiercluster. Ich setze in meiner Betrachtung jedoch auf andere geographische Schwerpunkte und beziehe auch ethnographische Faktoren mit ein. Siehe auch Zusatzinfo [4].

[3] Es würde sich damit zunächst nur um eine rein formelle Umetikettierung einer Provinz zu einer GIGACITY handeln. Was wiederum die Frage nach der Sinnhaftigkeit eines derartigen administrativen Schritts aufwirft.

[4] Des Weiteren wäre auch eine Zusammenlegung von Xi‘an und Taiyuan beziehungsweise Guanzhong und Fenjin zu einer einzigen GIGACITY mit 273.000 km² und 70 Millionen Einwohnern denkbar. Wie im Fall von Yungui: Diese GIGACITY wird in der offiziellen Kandidaten-Liste als zwei separate Cluster aufgeführt. In meiner Projektion habe ich jedoch die autonomen Bezirke der Yi, Miao und anderer nationalen Minderheiten Chinas weggelassen – aus den gleichen Gründen, die ich schon bei der GIGACITY im Sichuan Chonjing Basin angeführt habe (Siehe Teil 6). Damit wären diese allergings mit nur je etwa 22 Millionen Einwohnern etwas „unterbelegt“.

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