Dez.03
Gigacities in China [10]: EIN ERSTES FAZIT
Die Skyline von Hongkong bei Nacht (Pixabay CC0 1.0)
Die GIGACITIES bis jetzt
China hat mit der GIGACITY die bisherigen Städtekonzepte um eine neue und visionäre, aber auch monströse Kategorie erweitert. In den 20 geplanten chinesischen GIGACITIES würden nach den heutigen Zahlen ca. 1,2 Milliarden Menschen (oder rund 86 % der Bevölkerung) auf etwa 35 % des Staatsgebiets Chinas leben [1]. Dabei gibt es zwischen den einzelnen sogenannten „Clustern“ erhebliche Unterschiede, sei dies in demographischer, politischer oder wirtschaftlicher Hinsicht.
Die Lage der Schwellencluster in Bezug auf die Hauptcluster (© 2018 Google Earth, Karten: Landsat/Copernicus, Daten: SIO, NOAA, U.S. Navy NGA, GEBCO, Beschriftung: eigener Entwurf)
Die Hauptcluster
Die Hauptcluster sind bislang am klarsten ausgearbeitet. Sie liegen in den wirtschaftlich stärksten Regionen Chinas (blaue Flächen in der Karte, No. 1-5). Am konkretesten ist die Planung von Jing-Jin-Ji (No. 1). Dennoch lässt sich China Zeit mit der tatsächlichen administrativen Umsetzung der Planung. Offenbar soll es aber 2020 soweit sein, wenn kurz vorher der neue Flughafen Beijing-Daxing der Region in Betrieb geht. Am Gelingen dieser ersten GIGACITY wird sich wohl letzten Endes die Zukunft und Machbarkeit aller anderen GIGACITIES entscheiden.
Die Schwellencluster
Wenn einmal die Hauptcluster etabliert sind, sollen die Schwellencluster dann die „Lücken“ zwischen diesen schließen (grüne Flächen, No. 6-15). Schwierig und noch nicht ganz geklärt ist das administrative Schicksal der nicht an GIGACITIES beteiligen Gebiete in den jeweiligen Provinzen. So wären die eher ländlichen Bezirke in Hubei, Hunan und Jiangxi, aber besonders jene in Heilongjiang, Fujian und Sichuan, davon betroffen. Ob diese zu neuen Provinzen zusammengelegt werden oder schließlich doch noch Teil der GIGACITIES werden, wird aus den weiteren offiziellen Planungen hervorgehen müssen.
Die Nebencluster
Die Nebencluster liegen allesamt in der Peripherie des Landes westlich der Heihe-Tengchong-Linie (gelbe Flächen, No. 16-20). Diese fünf geplanten Städte wären jedoch im Vergleich zu den fünf Haupt- und zehn Schwellenclustern sehr dünn besiedelt (siehe Tabelle). Außerdem würden sie nur nur rund 12 % der Fläche und 53 % der Bewohner in der Peripherie ausmachen, während die anderen GIGACITIES fast 50 % Fläche des Kernlandes und 88 % der Einwohner erfassen würden [2].
Alle geplanten GIGACITIES sortiert nach Haupt-, Schwellen- und Nebenclustern (eigener Entwurf)
Die Zukunft der GIGACITIES
Die chinesischen GIGACITIES sind das wohl ambitionierteste Städteprojekt der Welt. Es wird, wenn es tatsächlich umgesetzt wird, das Land in seiner administrativen Struktur grundlegend verändern. Allerdings gibt es auch einen entgegengesetzten Vorschlag: Anstatt die Städte immer größer werden zu lassen, sollten sie stattdessen auf die Größe einer Mittel- oder Großstadt beschränkt werden. Als Vorbild wird dabei interessanterweise die Zusammensetzung der Städte in Deutschland angeführt [3].
Nachdem ich nun alle geplanten GIGACITIES in China vorgestellt habe, werde ich in den kommenden Beiträgen eine Region vorstellen, in der meiner Meinung nach diese neue Stadtkategorie rein hypothetisch ebenfalls möglich wäre: im südlichen Asien.
Anmerkungen zur Tabelle:
* Zu den einzelnen Namen bzw. Bezeichnungen der jeweiligen GIGACITIES siehe die Anmerkungen der vorhergehenden Beiträge.
Quelle der Daten = Thomas Brinkhoff: City Population, http://www.citypopulation.de/China_d.html.
Zusätzliche Infos:
[1] Da China eine sinkende Geburtenrate hat und bedingt durch die bis 2015 geltende Ein-Kind-Politik auf eine rapide Überalterung der Gesellschaft zusteuert, werden sich die Kerneinwohnerzahlen der geplanten GIGACITIES in naher Zukunft nicht dramatisch verändern und wenn, dann nur durch Zuzug. Im Gegenteil: Die GIGACITY soll durch die Einbindung des Umlandes die zugezogene Bevölkerung besser verteilen und die Zentren der jeweiligen Städte vor dem Kollaps schützen. Lediglich die Nebencluster in der Peripherie könnten einen sehr starken Einwohnerzuwachs bekommen, was wiederum als Quasi-Entlastung des dicht besiedelten chinesischen Kernlandes gewünscht ist.
[2] Das geht nicht eindeutig aus der Tabelle hervor, lässt sich aber aus den Flächen- und Bevölkerungszahlen Chinas berechnen.
[3] Deutschland hat verglichen mit anderen Ländern tatsächlich eine ungewöhnliche Siedlungsstruktur: Von den 82 Millionen Einwohner leben 27 Millionen oder 33 % in den rund 90 Großstädten (darunter 4 Millionenstädte, 10 „Halbe-Millionenstädte“ und 10 „Fast-Großstädte“). Dies liegt zum Großteil an der starken und nach wie vor prägenden föderalen Geschichte Deutschlands, in der es immer viele regionale Zentren gab. Allein die zahlreichen ehemaligen Residenzstädte, die über die gesamte Bundesrepublik verteilt sind, sind ein großes Indiz dafür.
(Zum Vergleich: In Frankreich leben von den 65 Millionen Einwohnern nur 9,6 Millionen oder 15 % in den rund 40 Großstädten. Die Agglomeration Ile-de-France mit ihren 12 Millionen Einwohnern besteht „nur“ aus 5 Großstädten und sehr vielen kleineren Mittelstädten.)
Deswegen bin ich auch der Meinung, dass eine administrative Zusammenlegung des Ruhrgebiets mit den Regionen Niederrhein und Köln/Bonn zu einer 10-Millionen Megacity Rhein-Ruhr wohl weder politisch oder gesellschaftlich umsetzbar wäre – wenn ich allein an die Fußballvereine im Revier denke! Lediglich einzelne lokale Städtefusionen wie die im Bergischen Städtedreieck werden diskutiert.